„And I’m far far away, with my head up in the clouds.“
Seit einer Woche bin ich schon wieder in Córdoba, komme aber jetzt erst dazu, einen neuen Eintrag zu schreiben. Am Donnerstag war Abgabetermin für den Forschungsbericht, von dem ich ja im letzten Eintrag schon geschrieben hatte. Somit blieb nicht allzu viel Zeit für anderes. Die Uni diese Woche war auch eher piano, weil Donnerstag Feiertag war und das ja mein längster Tag ist.
Nachdem Heiner es sich kurz vor knapp noch anders überlegt hatte und er aufgrund einer anstehenden Klausur in der freien Woche lieber in Córdoba bleiben wollte, sind wir dann nur zu zweit Montag Nacht Richtung Jujuy aufgebrochen. Beim Ticketkauf die gute Nachricht: Das mit den 20 % Studentenrabatt läuft! Wir hatten schon davon gehört, dass es diesen Rabatt gibt, aber auch, dass man verschiedene Unterlagen dafür vorlegen muss, die wir nicht haben. Gott sei Dank ging alles völlig unkompliziert vonstatten und wir haben für die 12 Stunden Busfahrt nur etwa 35 Euro bezahlt. Im Bus dann die schlechte Nachricht: Ich hatte mich mit den Buchungsklassen vertan und bin davon ausgegangen, dass cama die beste Variante mit nahezu 180°-Liegefläche ist – ich hatte doch glatt die cama suite vergessen. So konnte man den Sitz nur halb zurückklappen, womit ich nicht wirklich zurechtgekommen bin und die Nacht dann eher zum Tag wurde. Irgendwann am Morgen (Details dürft ihr nach fast zwei Wochen nicht mehr erwarten!) sind wir in Jujuy angekommen, genauer gesagt in San Salvador de Jujuy. Das ist die wenig beeindruckende Provinzhauptstadt. Das beste, was sie uns bieten konnte, war ein herrliches amerikanisches Frühstück. Dazu gab’s für mich ein submarino – echte Schokolade aufgelöst in heißer Milch. Schon was ganz anderes als die „heiße Schokolade“ aus Wasser, die man meistens in Deutschland in Gaststätten serviert bekommt. Nach der anstrengenden Busfahrt war das genau das richtige!
 |
Der submarino |
Noch am Vormittag sind wir weiter Richtung Norden gefahren. Jujuy ist die letzte größere Stadt im Nordwesten, es kommen aber noch einige Bergdörfer, die in jedem Reiseführer ganz oben auf der Liste stehen. Also, rein in den Bus und eine atemberaubende Fahrt durch die trockene und bergige Gegend bis auf ca. 2500 Meter genießen. Die Gebirge hier sind wirklich beeindruckend und farbenfroh. Das hat irgendetwas mit den Mineralien zu tun und hat sich wohl in Millionen von Jahren so ergeben, für Details fragt ihr aber besser den Geologen eures Vertrauens. Am frühen Nachmittag sind wir dann in Tilcara angekommen, haben uns auf die Suche nach einem Hostel gemacht und auch was nettes gefunden. Am Nachmittag haben wir die Gegend erkundet und gingen bei mindestens 30° bestimmt drei, vier Stunden wandern. Held des Tages: Mein Körper. Unglaublich, was der an diesem Tag mitgemacht hat. Erstmal die leicht unterdurchschnittlichen anderthalb Stunden Schlaf im Bus, dann kein Essen von morgens zehn bis abends acht und ohne Getränke unterwegs (weil pralle Sonne unterschätzt). Und das ganze ohne das Gefühl, total kaputt zu sein. Das ist mir bis heute ein Rätsel. Widrige Umstände, gutes Gefühl, schöner Tag. Dem Tag die Krone aufgesetzt haben die Kollegen vom Restaurant, in dem wir abends waren. Als wir das Teil von außen gesehen haben, habe ich gedacht: Geil – aber bestimmt teuer. Egal, der Laden sah so vielversprechend aus, dass wir gar nicht nachdenken mussten. So eine schöne Inneneinrichtung habe ich fast noch nie gesehen. Wir befinden uns hier im Nordwesten Argentiniens im ehemaligen Inkareich, hier lebt zum allergrößten Teil indigene Bevölkerung, die Leute sind nicht wie in Córdoba und Buenos Aires weiß, sondern eben deutlich dunkler und haben typische indigene Gesichtszüge. Und diesen indigenen Eindruck hat eben auch das Restaurant hinterlassen, auf nahezu perfekte Weise. Das Essen war dann auch super und entgegen aller Erwartungen recht günstig. Schon die heißen Pizzabrötchen mit superleckeren Dips waren der Hit, das Fleisch und der Salat waren auch super und ich bin in der ganzen Woche gar nicht mehr aus dem Schwärmen rausgekommen. An diesem Abend hatte ich keine Kamera dabei, aber Vanessa hat Fotos gemacht. In den nächsten Tagen gibt es noch einen reinen Fotobeitrag mit geklauten Fotos.
 |
Blick über Tilcaras Peripherie |
 |
Vanessa und ich |
 |
"Lagune" oder Tümpel in Tilcara |
 |
Ein klassisches Hostelzimmer |
Ach, ich glaube, mein Blog vermittelt den Eindruck, dass ich hier auf Kur bin – und zwar auf Zunehmkur! Geht ja immer nur um’s Essen. (Schlagzeile: „40-Kilo-Mann auf Fresskur bei den Gauchos – in 10 Tagen 20 Kilo zunehmen – so geht’s!“). In Wirklichkeit esse ich hier gar nicht viel und da ich nicht, wie die meisten anderen hier, auf den ganzen Süßkram aus der Bäckerei (facturas) stehe, spare ich doch die ein oder andere Kalorie gegenüber zuhause ein. Ich freue mich aber immer, wenn es leckeres Essen gibt und deshalb landet es auch hier. Ich kann nur über das schreiben, was für mich wichtig ist (solange es in den Rahmen passt – alles kehre ich natürlich nicht nach außen, das mache ich ja auch im echten Leben nicht). Ich will mich eigentlich nicht fragen, ob dies oder jenes überhaupt jemanden interessiert, denn dann wäre es irgendwie nicht mehr authentisch.
Nach dem Essen haben wir im Hostel noch besprochen, was wir am nächsten Tag machen wollen, das ganze im Internet recherchiert, geduscht (kalt! Der Erhitzer funktionierte nicht und die Hitze des Tages wurde längst durch äußerst milde Temperaturen um die 10° ersetzt) und ruckzuck war es schon wieder 1 Uhr. Da wir am nächsten Tag einiges vorhatten, wollten wir schon früh aus Tilcara verschwinden und hatten den Wecker knallhart auf 6 Uhr gestellt. Um kurz nach sieben waren wir schon aus der Stadt raus und es ging über Jujuy Richtung Salta. Dort mussten wir feststellen, dass unsere Pläne, am Nachmittag den
Parque Nacional El Rey zu besuchen, ein wenig naiv waren. Mal eben dorthin ist wohl nicht, es gibt keine offizielle Busverbindung, sondern nur (teure) organisierte Tagesausflüge. So haben wir den Nachmittag damit verbracht, uns Salta anzuschauen und haben uns am Dachpool unseres Hotels erfreut, was wir in der Nacht zuvor gebucht hatten. Endlich wieder Wasser!
Am nächsten Tag vergrößerte sich unsere kleine Reisegruppe. Mara, Sören und Sami sind mit dem Auto aus Córdoba gekommen und wir haben uns am Morgen mit ihnen in der Unterkunft getroffen, wo wir uns die nächsten drei Tage einquartiert haben. Es war gut, ein Auto vor Ort zu haben, denn es ist natürlich einfacher, damit überall hinzufahren als ständig nach Busverbindungen zu suchen, zum Bahnhof zu laufen und mit höchstens 80 überall hinzutuckern. Außerdem kannte Sören sich bestens in der Gegend aus, weil er schon öfter in Argentinien war. (Für mich) nicht so toll war, dass ich mit vier Personen unterwegs war, die alle quasi fließend Spanisch sprechen (Sami ist Argentinier und somit war Spanisch die "Reisesprache") – erstens verstehen alle alles außer ich und zweitens ist in so einer Situation irgendwie die Hemmschwelle viel höher, was zu sagen. Ich mein, man spielt ja auch nicht so gern mit 10 Fussballprofis in einer Mannschaft, wenn man selbst noch Amateur ist. Vielleicht lernt man was, Spaß macht’s aber trotzdem nicht wirklich. An dieser Stelle kann ich auch mal mit einem kleinen Mythos aufräumen: Wenn ich Leuten erzähle, dass ich Spanisch studiere, denken immer alle, dass ich das ja auch supergut sprechen können muss. In Wirklichkeit studiere ich aber Romanistik (oder noch genauer: Hispanistik), was in erster Linie mal aus Sprach-, Literatur- und Landeswissenschaften besteht. Das reine Lernen der Sprache ist wenig wissenschaftlich und deshalb auch nicht primäre Aufgabe des Studiums. Die Sprachkurse sind eher Mittel zum Zweck, notwendiges Arbeitsmittel. Deswegen besteht mein Studium auch nur aus gut 10% reiner Sprachkurse, die anderen 90 sind eben die Fachwissenschaften und Wirtschaft. Und in zwei Jahren kommt man (oder ich zumindest) nicht auf den Stand, den man in acht Jahren Englischunterricht erreicht hat. Ein bißchen mehr Selbstmotivation hätte trotzdem nicht geschadet, aber dafür war ich immer ein bißchen zu ergebnisorientiert.
Kommunikation hin oder her, der Grund, weshalb wir hier waren, war natürlich die Landschaft und von der haben wir einiges gesehen. So haben wir zum Beispiel eine Wanderung in San Lorenzo, einem Nachbarort von Salta, gemacht. Nur 15 Kilometer nordwestlich von der (momentan) ziemlich trockenen Stadt Salta beginnen die yungas, die Nebelwälder, und alles ist grün. Weiter im Norden wird es dann wieder richtig trocken und weiter im Osten gibt es dann richtigen Regenwald. Manchmal fährt man durch ein Tal, auf dessen Westseite kahle und auf der Ostseite üppig begrünte Berge sind.
 |
In den yungas, auf dem Weg von Salta nach Jujuy |
 |
Cerro de los siete colores - Hügel der sieben Farben |
Auf 3500 Metern Höhe befindet sich hier eine große Salzwüste, die salinas grandes, wo wir auch hingefahren sind. Der Pass, den wir überquert haben, hatte stolze 4100 Meter. Ich glaube nicht, dass ich vorher schonmal in diesen Höhen unterwegs war. In der Salzwüste war es dann recht kalt (ich passend mit kurzer Hose), aber bot dafür eine wunderbare Kulisse für tolle Fotos (auch dazu mehr beim nächsten Mal).
 |
Die salinas grandes |
Am Freitag hatten wir einen tollen Abend in einer Bar. Dort gab es nicht nur hervorragendes Essen (schooon wieder), sondern hier packen die Gäste auch zu späterer Stunde ihre mitgebrachten Instrumente aus und in beinahe jedem Raum formiert sich ein Grüppchen, was Musik macht. Eins, zwei, drei Gitarren, Trommel, Panflöte und was sonst noch so denkbar ist. Dazu wird lauthals gesungen und getanzt. Ein wirklich magischer Ort. Hier feiern alt und jung zusammen, wie man es in Deutschland bestenfalls von Hochzeiten oder ähnlichem kennt.
 |
In der Casona |
 |
Vermieterin in Salta, ich, Vanessa, Mara, Sören und Sami |
 |
Kaktus in Purmamarca - schöner Vergleich mit dem Auto im Hintergrund |
 |
Mara im Wald |
Am Abreisetag sind wir schon am Nachmittag runter nach Cafayate (360 Sonnentage im Jahr!) gefahren. Die eigentliche Attraktion ist auch hier der Weg dorthin. Die vierstündige Fahrt führte durch die Quebrada de las conchas, eine etwa 80 Kilometer lange Schlucht, die unter anderem das Anfiteatro beinhaltet, eine bizarre Ausbuchtung der Schlucht, die ein Wasserfall vor zig Millionen Jahren geformt hat. Wasser gibt es hier aber wohl fast ebenso lange nicht mehr. Sören meinte, dass dort aufgrund des einzigartigen Klanges tatsächlich Konzerte aufgenommen werden.
Kleine Geschichte noch zu Cafayate, auch von ihm: Die Filiale der Banco de la Nacion Argentina hier passt architektonisch überhaupt nicht in die Stadt. Der Grund dafür: Zeitgleich wurde damals eine Filiale für El Calafate, eine Stadt im Süden Patagoniens, geplant und die Herren haben aufgrund der Ähnlichkeit der Städtenamen die Pläne vertauscht. Schnee haben die Einwohner hier wahrscheinlich noch nie gesehen, dafür haben sie eine Bankfiliale mit schrägen Metalldächern, wo dieser, sollte er eines Tages doch nochmal kommen, schön herunterrutschen kann, haha.
Abends um 10 ging es dann weiter Richtung Córdoba, wo wir dann 12 Stunden später eingetrudelt sind. Und das ganze mit fünf Mann, wovon einer über zwei Meter groß ist...
 |
Das winterfeste Quartier der BNA |
 |
Im Teufelsschlund |
 |
Wir mit passender Überschrift |
 |
Stillgelegte Bahnstrecke - hier fuhr wahrscheinlich im 19. Jahrhundert der letzte Zug lang |
 |
Die Kirche von Cafayate - das obligatorische Nachtfoto |