To the east, to the east
The road beneath my feet.
Ich bin wieder zurück in Puerto de Iguazú, vorgestern Abend ist Verena zurück in die Heimat geflogen und mit ihr mein Laptop, was die Sache mit dem Blog nicht einfacher macht. Da es aber mittlerweile in so gut wie allen Hostels PC´s mit Internetanschluss gibt, besteht weiterhin die Möglichkeit, mich hier auszulassen. Gestern hat der vorletzte Teil meiner Reise begonnen, die mich voraussichtlich durch Paraguay, den Norden Argentiniens, Bolivien und Peru führen wird. Das Schöne dabei ist, dass nur feststeht, dass ich am 29. Januar in Juliaca am Titicacasee sein muss, der Rest bleibt 100% flexibel. Die Dezember-Reise als auch der Part im Februar waren bzw. sind relativ gut durchorganisiert, deshalb geniesse ich es jetzt, dorthin zu fahren, wo es mich hintreibt. Ich habe gestern morgen Heiner am Busbahnhof abgeholt und etwa zur gleichen Zeit kam auch Mara mit ihrer Familie hier an, die uns im Januar vielleicht für einige Zeit begleitet.
Anfang Dezember ging es also los, der zweite Teil meines Auslandssemesters begann für mich mit einer Busreise nach Buenos Aires, wo ich meine Freundin an einem sonnigen Sonntag am Flughafen abgeholt habe – mit fünf Stunden Verspätung! Schuld war aber nicht das Schneechaos, sondern ein technischer Defekt, sowohl in London, als auch in Sao Paulo, wo es eine Zwischenlandung gab. So verkürzte sich die Zeit in Buenos Aires um einen halben Tag, aber das passiert halt. Wir waren nur eine Nacht dort, hatten also nur wenig Zeit, zumal ich auch noch zum Arzt musste. Es gibt dort ein deutsches Hospital (Hospital Alemán), wo ein Deutscher super ohne Fremdsprachenkenntnisse zurecht kommt – solange er mit niemandem spricht! Denn ausgeschildert ist alles in deutsch, es gibt Informations- und Hinweistafeln in deutscher Sprache (unter anderem eine Tributtafel für die Bundesregierung, die vor etwa 40 Jahren den Bau mit einer “grosszügigen Spende” ermöglichte), aber niemand spricht sie! Egal, mir wurde trotzdem geholfen. Das war am zweiten Tag, den wir dann noch nutzten, um den Friedhof in Recoleta zu besuchen. Es war mir bisher immer ein Rätsel, wieso eine der Hauptattraktionen der Stadt ein Friedhof sein soll. Okay, ich wusste, dass Eva Perón dort begraben wurde, aber das konnte ja nicht der einzige Grund sein – und das war es auch nicht. Der Friedhof hat kein einziges herkömmliches Grab, sondern macht eher den Eindruck einer kleinen Geisterstadt, in der früher Zwerge gelebt haben. Es reiht sich ein Häuschen ans nächste, nicht sehr hoch und meistens einstöckig, was kein Wunder ist, denn die Bewohner sind ja nicht mehr imstande, die Horizontale zu verlassen. Die Särge sind in der Regel sichtbar, denn die Mausoleen haben zum Teil Glastüren und –fenster. Hier wurden und werden (natürlich) vorwiegend bekannte und reiche Persönlichkeiten beerdigt, ehemalige Präsidenten, Feldherren, Schauspieler… mich hat dieser Ort sehr beeindruckt, leider habe ich an diesem Tag meinen Fotoapparat vergessen, so dass ich hier nichts präsentieren kann. Aber wer interessiert und sicher im Umgang mit Google Pictures ist, der wird einen Weg finden, einen konkreteren Eindruck zu bekommen als meine Tote-Zwergenstadt-Beschreibung ;-).
Am Abend ging es dann schon weiter nach Córdoba, hier hatten wir ein wenig mehr Zeit. Vier Nächte, um Verena die Stadt zu zeigen, in der ich in den letzten Monaten gelebt habe. Wir waren in einem nahegelegenen Naturreservat wandern und waren unter einem Wasserfall schwimmen, es gab noch ein Abschiedsasado im Hostel und am letzten Tag waren wir zusammen mit Heiner, Daniela und Leo auf dem Konzert von La Vela Puerca (a prospos “auf dem Konzert”: wusstet ihr, dass Leute im Süden “ich gehe ans Konzert” sagen?). Rock! Laut! Endlich! Das Konzert fand in einem kleinen Stadion statt, was via Mobildach zur Halle umfunktioniert werden kann. Mit 30 Jahre alten Bussen aus Russland rumfahren, aber Stadion mit Cabriofunktion! So sind se, die Argentinier!
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Wasserfall in einem Naturpark in der Nähe von Córdoba |
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beim Abschiedsasado im Hostel |
Nach grossem Abschied ging es dann auf Mammutbustour nach Iguazú. Circa 21 Stunden ist man unterwegs, aber man weiss es ja vorher und die Zeit vergeht sowieso. Auf der Fahrt haben wir ein wirklich eindrucksvolles Gewitter aus der Ferne beobachten können, bestimmt eine Stunde lang, mit Blitzen, die die Nacht zum Tag machten. Wir waren anderthalb Tage im Nationalpark, der diese gigantischen Wasserfälle beheimatet. Es ist schwierig zu sagen, welche die grössten der Welt sind. Die höchsten, breitesten, die mit den grössten Wassermassen? Jedenfalls gehören die Iguazú-Fälle in eine Kategorie mit den Niagarafällen und den Victoriafällen, wobei jeder dieser drei wahrscheinlich den Titel für sich beansprucht. Wie dem auch sei, diese hier sind wunderbar! Was ein grandioses Naturschauspiel in genauso grandioser Umgebung. Die ganze Gegend ist in sattem Grün gemalt, es gibt insgesamt über 200 Wasserfälle, teilweise fernab der ganz grossen mitten im Dschungel. Es gibt mehrere verschiedene Wanderwege, teilweise oberhalb und teilweise unterhalb der Fälle, von woaus man sehr nah rankommt. Es gibt zahllose Schmetterlinge und Vögel sowie Geckos und Nasenbären. Leider nicht zu Gesicht bekommen haben wir Affen und Riesentukane. Auch gibt es in der Gegend noch einen kleinen Bestand an Jaguaren.
All das betrifft die argentinische Seite. Die Wasserfälle sind jedoch auch von der brasilianschen Seite aus zu besichtigen. Brasilien hat aber, was das betrifft, deutlich weniger zu bieten. Man fährt mit dem Bus anstatt wie in Argentinien mit einem kleinen Zug durch den Park, man läuft nur auf befestigtem Untergrund am Ufer entlang und nach zwei bis drei Stunden hat man alles gesehen. Meiner Meinung nach ist das hier locker verzichtbar, Argentinien hatte von vornherein den besseren Zugang zu diesem Naturspektakel und hat seinen Park auch noch mit wesentlich mehr Charme umgesetzt. Keine Frage, am Ende des Trips wird das hier weit oben auf der Liste der Highlights stehen!
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Dreiländereck: vorne Argentinien, links Paraguay, rechts Brasilien. |
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Nasenbär im Iguazú-Nationalpark
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Nasenbärfamilie bei den Wasserfällen
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Gigantische Wasserfälle |
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Bei den Wasserfällen sind auch einige Tiere zuhause |
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Blick vom Upper Circuit, oberhalb der Fälle |
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Regenbögen bilden sich beinahe überall |
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... leider haben wir keine Papageien und Riesentukane gesehen, die hier auch heimisch sind |
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Ein durchsichtiger Schmetterling |
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Die Fälle von der brasilianischen Seite aus |
Nach drei Nächten ging es dann weiter mit dem Flugzeug nach Rio de Janeiro. Dort wurde ich direkt am ersten Tag krank und hatte mit seltsamen Magenkrämpfen und Schüttelfrost zu kämpfen, Rio viel somit fast komplett ins Wasser, der Magen hat sich endgültig erst nach knapp zwei Wochen wieder beruhigt. Jedoch haben wir es geschafft, uns mit einer Bekannten aus Córdoba zu treffen, die aus Rio kommt und gerade auf Heimaturlaub ist. Wir waren mit ihr in Santa Teresa, einem kleinen und netten Viertel. Wir sind Bus gefahren, Taxi gefahren, Strassenbahn gefahren und haben in einem Restaurant gegessen und sie bestand darauf, alles zu bezahlen! In Rio waren wir schliesslich ihre Gäste! Unglaublich. Überhaupt, auch hier sind die Menschen meist unglaublich freundlich und hilfsbereit, steht man ratlos am Strassenrand, fragt garantiert jemand nach, was wir suchen oder ob wir Hilfe benötigen. Man sagt sich so oft: “Das in Deutschland – gibt´s nicht!”
Nächste Station in Brasilien war die Ilha Grande, eine sehr naturbelassene Insel zwei Stunden westlich von Rio. Keine Autos, keine Strassen, nur ein Ort, alles sehr urig. Die ganze Insel ist hügelig und besteht aus Resten atlantischen Regenwaldes, per Fuss nur schwer zugänglich, deshalb ist das Hauptverkehrsmittel das Boot.
In unserem Hostel gab es ein paar Tage zuvor leider eine kleine Flutkatastrophe, die das ganze Erdgeschoss knietief unter Wasser setzte. Nachdem das wieder weg war, blieb den Leuten noch etwa 15 Zentimeter Sand im Haus stehen! Als wir ankamen, war es noch sehr chaotisch, einige Schlafzimmer standen noch unter Wasser, das Hauptgebäude sah aber schon wieder manierlich aus.
Die Zeit dort haben wir natürlich genutzt, am Strand zu liegen, zu schwimmen, zig mal durch das schnuckelige Dorf zu laufen und uns über die Preise hier zu beschweren. Brasilien ist, im Vergleich zu Argentinien, unglaublich teuer. Für vieles zahlt man das doppelte, manchmal ist es schwierig, etwas zu finden, was dort günstiger ist als in Deutschland. Frische Sachen sind es meist, aber Getränke, Konserven, Süssigkeiten und der Preisniveauindikator schlechthin, der BigMäc, sind um einiges teurer. Taxi- und Busfahrten kosten das doppelte im Gegensatz zu Argentinien. Wir waren jetzt nur in einem Bundesstaat unterwegs und haben einen kleinen Ausschnitt dieses riesigen Landes gesehen, somit kann es sein, dass es an anderen Stellen ganz anders aussieht, aber das hat uns natürlich wenig interessiert.
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Ilha Grande (Nordseite) |
Nachdem wir die Insel wieder verlassen hatten, sind wir für eine ganze Woche nach Búzios gefahren und haben dort Weihnachten verbracht. Búzios ist ein sehr gut ausgebauter Urlaubsort, der aber seinen Dorfcharme behalten hat. 13.000 Betten stehen den Touristen zur Verfügung, keins davon jedoch in einer “Bettenburg”, es gibt nämlich keine Gebäude mit mehr als zwei Stöcken.
Das Zentrum ist sehr schön und sehr sauber, mal so gar nicht südamerikanisch! Die Auswahl an Restaurants ist der Wahnsinn und es gibt eine sehr schöne Promenade. Wir haben direkt im Zentrum in einem Hostel gewohnt, dass vorne an der Haupteinkaufsstrasse (alles ruhig und gemütlich) und hinten am Strand lag- Meeresblick und –rauschen im Zimmer included. Für Weihnachten haben wir uns ein Zimmer in einer kleinen Pousada (Gästehaus mit meist nur einer Hand voll Zimmern) gegönnt. Eigentlich ein Doppelzimmer, am ersten Abend hatten wir aber direkt einen fetten Käfer zu Gast! Alarm beim Boss, er hat das Viech vertrieben, aber immer wieder betont, dass das normal sei. Aber ist es nicht auch normal, dass der gemeine Mitteleuropäer nicht gern mit dicken Käfern im Zimmer schläft? Am zweiten Tag hatten wir Ruhe, am dritten einen kleinen Gecko. Auch hier wieder im schlechten Englisch: “is normal”. Er hat ihn ein wenig genervt aus dem geschlossenen Fenster gescheucht. Klar, dass der kleine ganz schnell wieder drin war, wenn die Fenster einen circa ein Zentimeter dicken Schlitz haben, der nicht zuzubekommen war. Wir haben ihn dann aber nicht mehr gesehen und uns darauf verlassen, dass er uns im Schlaf nicht auffrisst.
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Búzios am Abend |
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Búzios am Tag |
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Die Kreuzfahrtschiffe im Hintergrund bringen ihre Gäste mit kleinen Booten an Land, weil Búzios keinen Anleger hat |
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Blick aus unserem Zimmer im "Nomad Seashore Hostel" |
Nach einer langen Suche im Internet nach einer Unterkunft, die einigermassen bezahlbar war, ging es für die letzten zwei Tage wieder nach Rio. Über Silvester ist es wahrscheinlich die teuerste Stadt der Welt, ein Bett im Zehnerschlafsaal kostet meist zwischen 60 und 90 Euro pro Nacht und ist mindestens vier Nächte zu buchen, Hotels an den einschlägigen Stränden Copacabana, Ipanema und Leblon kosten mindestens 400 Euro pro Nacht und Zimmer, gerne auch mal vierstellig. Wir haben etwas für zwei Nächte und für unter 50 Euro pro Person und Nacht gefunden, verhältnismässig gut, fällt aber trotzdem definitiv in die Kategorie “once in a lifetime”. So viel Geld zahle ich nie mehr für ein Bett im Dorm! Dafür hatten wir zum Abschluss noch zwei echt tolle Tage, wir waren bei der Jesus-Statue mit fantastischem Blick über die ganze Stadt und haben kleine Kapuzineräffchen gesehen – mitten in Rio! Das “Rio Nature Hostel” liegt am Hang eines Berges zwischen Botafogo und Copacabana, dort tummeln sich ganz viele davon! Als wir ein Äffchen gesehen haben, haben wir schnell unsere Banane geholt und ihm ein Stückchen hingelegt. Der kleine hat Laute von sich gegeben und in wenigen Sekunden kamen aus allen Richtungen ganz viele von ihnen! Leider hatten wir nur eine Banane, so konnten wir nicht jeden glücklich machen. Wir haben ihnen noch Salat und Gurke hingelegt, nach Inspektion befanden sie es aber für nicht gut genug und liessen es liegen. Ganz schön verwöhnt!
Nicht nur mit den Affen hatten wir Glück, auch mit den Leuten im Hostel, mit denen wir Silvester an der Copacabana verbracht haben. Mit Carlos aus Kolumbien (jetzt Austin/Texas), Dylan aus Südafrika, Courteney und Ray aus San Diego und zwei Mädels aus Brasilien sind wir an Reveillon, so der Name für die Neujahrsnacht in Rio, losgezogen. So angenehme, symphatische und rücksichtsvolle Menschen trifft man echt selten! Schon nachmittags begann sich der Strand zu füllen, abends war er mitsamt Uferstrasse voller Menschen. Zwei Millionen feierten dort, bei angenehmen 28 Grad, mit Bühnen, Musik und vor der Kulisse von zahlreichen beleuchteten Kreuzfahrtschiffen. Trotz der vielen Menschen macht alles einen gemütlichen Charakter, man sitzt im Sand, macht Fotos, erzählt sich von seltsamen Neujahrsritualen und wartet auf die Sekunde und das anschliessende gigantische Feuerwerk. Weihnachten dachte ich noch: das ist es nicht, es fehlt etwas. Silvester könnte man meinetwegen bei uns auch bedenkenlos in den Sommer verlegen! Das hat gepasst!
An Neujahr haben wir uns von unseren Freunden und von den Affen und dann voneinander verabschiedet. Für mich gings weiter Richtung Westen, für Verena Richtung Nordosten. Beide Flieger haben ca. 30 Minuten Verspätung, so dass wir fast gleichzeitig gestartet sein dürften.
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Kleiner Affe in den Bäumen vor unserem Hostel in Rio |
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Blick auf die Jesus-Statue (links) und auf eine der zahlreichen Favelas (rechts) ... |
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... und Blick von der Statue auf die Stadt. |
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Carlos und ich in den Roy-Black-Gedächtnisfarben |
Feuerwerk an der Copacabana
Die Nacht habe ich dann am Flughafen verbracht, den Morgen am Busbahnhof auf der brasilianischen Seite von Iguazú. Am Flughafen bekam ich die Info, dass der erste Bus um sieben nach Argentinien aufbricht. Am Busbahnhof dann, dass der erste um halb neun fährt. Tatsächlich ging es um viertel nach neun los, juhu. Gott sei Dank wurde die Uhr dann in Argentinien eine Stunde zurückgestellt, sonst hätte ich Heiner nicht rechtzeitig am Bahnhof abholen können…
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Happy New Year! |